Generationenwechsel: Wie junge Führungskräfte den Mittelstand neu definieren

Sie sind jung, ambitioniert, bringen frische Perspektiven mit – und landen plötzlich aus den Windeln in dem Chefsessel eines Unternehmens mit jahrzehntelanger Geschichte.
Der Generationswechsel im Mittelstand ist mehr als ein Wechsel an der Spitze. Er ist ein kultureller Wandel, der alte Gewissheiten auf den Prüfstand stellt – und Raum schafft für neue Ideen, neue Führungsstile und neue Wege der Zusammenarbeit.
Laut dem KfW-Nachfolge-Monitor planen bis Ende 2025 rund 215.000 KMU in Deutschland eine Nachfolgelösung umzusetzen – ein deutliches Signal, wie viele Betriebe auf eine Übergabe angewiesen sind. Oft stehen dabei Wege offen: Verkauf, Stilllegung oder Übergabe an Nachfolger.¹
Doch was genau bedeutet das für das Unternehmen? Die Familie? Die Übergebenden – und die Übernehmenden?
Für das Unternehmen ist das eine Chance. Für alle Beteiligten eine Herausforderung.
Denn plötzlich stehen junge Führungskräfte an der Spitze eines Betriebs, der über viele Jahre – oft von Eltern oder Großeltern – geprägt wurde. Und mit dem Wechsel kommen Fragen auf:
Wie viel Neues darf sein – ohne das Alte zu verlieren?
In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf einen der spannendsten Übergänge in der Unternehmensgeschichte: den Generationenwechsel. Wir beleuchten, wie junge Nachfolgerinnen und Nachfolger den Mittelstand neu denken – und welche Chancen dieser Wandel bereithält.
Frischer Blick – neue Fragen

Viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer bringen das mit, was in einer Übergangsphase so wertvoll ist: einen klaren Blick von außen und den Mut, Fragen zu stellen.
Nicht aus Rebellion, sondern aus dem Wunsch, Verantwortung zu übernehmen – und die Dinge weiterzuentwickeln.
Warum machen wir das noch wie vor 20 Jahren? Wie können wir Prozesse schlanker gestalten? Was lässt sich digitalisieren, automatisieren, neu denken?
Mit technischem Innovationssinn, digitaler Kompetenz, Kraft und Elan der Jugend bringen Nachfolgerinnen und Nachfolger frischen Wind in gewachsene Strukturen. Und genau das ist wichtig für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Die Herausforderung besteht nicht darin, alles zu verändern. Sondern darin, das Beste aus beiden Welten zu verbinden: das Erfahrungswissen der vorherigen Generation – und die Innovationskraft der neuen.
Rollenwechsel mit Wirkung

Der Schritt in die Nachfolge ist mehr als ein Karriereschritt. Er ist ein Identitätswechsel.
Für viele junge Übernehmende ist das eine Phase der Selbstvergewisserung: Was erwarten andere von mir? Wie viel Führung traue ich mir selbst zu? Und wo finde ich meinen eigenen Stil – zwischen Tradition und Aufbruch?
Diese Fragen sind nicht nur legitim, sondern zentral. Denn wer führen will, muss wissen, wofür er steht.
Gerade in dieser sensiblen Übergangszeit braucht es Raum zum Hineinwachsen – und Strukturen, die Orientierung geben. Ein klarer Fahrplan für die sukzessive Übernahme hilft ebenso wie begleitende Gespräche über Rollen, Verantwortung und Zukunftsperspektiven.
Auch das Abwägen verschiedener kreativer Lösungsansätze wie dem hybriden Übergangsmodell und Mitarbeiterbeteiligungen, vorgestellt im Sage Report zur Nachfolge 2025, können helfen, einen erfolgreichen Übergang zu gestalten.²
Einander zuhören – voneinander lernen

Die Nachfolgephase ist nicht nur ein Wechsel der Generationen – sondern ein Dialog zwischen ihnen. Wenn sie gelingt, entsteht ein echtes Miteinander:
Die Erfahrung der Übergebenden trifft auf die Neugier der Übernehmenden. Alte Muster dürfen überprüft werden. Neue Ideen dürfen wachsen.
Doch dieser Dialog gelingt nur mit gegenseitigem Respekt – und der Bereitschaft, einander wirklich zuzuhören und voneinander zu lernen.
Laut BUV-Bericht rechnen über 43.000 kleine und mittlere Unternehmen bis 2025 mit einem Scheitern ihrer Nachfolgepläne. Und das häufig nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern wegen unklarer Erwartungen und fehlender Vorbereitung.³
Auch der DIHK-Nachfolgereport bestätigt: In fast jedem zweiten Fall sind es keine fehlenden Kompetenzen, sondern unausgesprochene Konflikte, die eine erfolgreiche Übergabe verhindern.⁴
Deshalb braucht es Klarheit. Über Zuständigkeiten, Zeiträume – und auch über die Frage, wie das Unternehmen nach dem Übergang gemeinsam geführt werden kann.
Aber bedenken Sie: Vertrauen entsteht nicht auf Zuruf

Zusammenfassungen von KfW, DIHK und BUV zeigen: Etwa ein Drittel aller geplanten Nachfolgen in Deutschland verzögert sich oder scheitert – meist nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aufgrund emotionaler und struktureller Faktoren.⁵
Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für jede erfolgreiche Nachfolge – aber es wächst nicht automatisch. Es entsteht durch Erfahrung, durch Gespräche, durch gelebte Verantwortung. Und vor allem: durch Zeit.
Für die Übergebenden bedeutet das oft einen schmerzhaften, aber notwendigen Schritt zurück.
Unterstützen, begleiten, da sein – ohne zu kontrollieren. Das ist kein einfacher Rollenwechsel. Doch nur so entsteht Raum für echte Entwicklung.
Gleichzeitig braucht es von der jungen Generation die Bereitschaft, Verantwortung wirklich zu übernehmen. Nicht alles neu und sich zu eigen zu machen, sondern mit Bedacht weiterzuführen – und an den richtigen Stellen Impulse zu setzen.
So kann Vertrauen wachsen. Stück für Stück. Und mit ihm die Grundlage für eine Übergabe, die nicht nur funktioniert, sondern neue Energie freisetzt.
Gestalten statt verwalten – was die nächste Generation antreibt

Viele junge Nachfolgerinnen und Nachfolger übernehmen nicht aus Pflichtgefühl. Sondern aus Überzeugung. Weil sie gestalten wollen. Weil sie etwas weiterentwickeln möchten, das ihnen am Herzen liegt.
Damit das gelingt, braucht es Offenheit und Vertrauen – aber auch klare Strukturen: eine abgestimmte Einführungsphase, die das Hineinwachsen möglich macht. Und den Mut, diesen Raum auch wirklich zu geben.
Denn: Wer gestalten will, muss gestalten dürfen.
Und was kommt danach?
Auch für die übergebende Generation beginnt mit der Nachfolge ein neuer Lebensabschnitt. Verantwortung abzugeben bedeutet nicht nur, Platz zu machen – sondern auch, den eigenen Fokus neu zu setzen.
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist die Nachfolge ein doppelter Prozess: Abschied und Aufbruch zugleich. Von der Führungsrolle – und hin zu einer neuen Rolle, die vielleicht beratend, strategisch oder ganz unabhängig vom Unternehmen weitergeht.
Wichtig ist, nicht nur loszulassen, sondern bewusst auf etwas zuzugehen. Eine neue Aufgabe. Ein neues Projekt. Oder einfach mehr Zeit für das, was im Alltag oft zu kurz kam.
Denn wer loslässt, braucht auch eine Perspektive.
Quellen
¹ KfW Research (2025): Fokus Nr. 48 – Nachfolge im Mittelstand. https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2025/Fokus-Nr.-481-Januar-2025-Nachfolge.pdf
² Sage GmbH (2025): Generationenwechsel im Mittelstand – Nachfolge 2025. https://www.sage.com/de-de/blog/generationenwechsel-im-mittelstand-nachfolge-2025/
³ BUV-Bericht 2025: Herausforderungen und Chancen der Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand. https://www.buv-ev.de/wp-content/uploads/2025/05/BUV-Bericht-Herausforderungen-und-Chancen-der-Unternehmensnachfolge-im-deutschen-Mittelstand-2025.pdf
⁴ DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2025. https://www.dihk.de/resource/blob/134302/195174566635ef655907ea91b0ec327a/unternehmensentwicklung-dihk-report-unternehmensnachfolge-2025-data.pdf
⁵ Perplexity-Auswertung: „Wie groß ist die Anzahl der gescheiterten Unternehmensnachfolgen seit 2020?“ (Zusammenfassung verschiedener Studien: KfW, DIHK, BUV).